Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage. (Bild: Andrii Marienko/AP/dpa)
Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage. (Bild: Andrii Marienko/AP/dpa)

Kiew (dpa) - Russland hat nach Kiewer Angaben das Energiesystem der Ukraine erneut massiv aus der Luft beschossen. In der Nacht seien Anlagen zur Stromerzeugung oder Stromverteilung in sechs Regionen angegriffen worden, teilte Energieminister Herman Haluschtschenko auf Facebook mit. Er nannte die Regionen Poltawa, Kirowohrad, Saporischschja, Lwiw, Iwano-Frankiwsk und Winnyzja.

Techniker arbeiteten bereits daran, die Schäden zu beheben. Das genaue Ausmaß werde noch ermittelt. «Der Feind möchte uns die Fähigkeit nehmen, Strom in ausreichender Menge zu erzeugen und zu übertragen», schrieb der Minister. Er rief die Bevölkerung zum Stromsparen auf, das sei ein «Beitrag zum Sieg».

Der nächtliche Luftalarm in weiten Teilen der Ukraine begann, als russische Kampfdrohnen im Anflug waren. Danach kamen Raketen zum Einsatz. Eine davon zielte nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe auf Kiew. Später hieß es von der Militärkommandantur der Hauptstadt, alle anfliegenden Objekte seien abgefangen worden. Im Vorort Browary geriet ein nicht näher bezeichnetes Objekt der zivilen Infrastruktur in Brand, wie Bürgermeister Ihor Saposchko mitteilte. Ein Mann und eine Frau seien verletzt worden.

Auf den Westen der Ukraine wurde nach Luftwaffenangaben eine Hyperschallrakete Kinschal abgefeuert. Russland beschießt in seinem seit mehr als zwei Jahren währenden Angriffskrieg fast jede Nacht Ziele im ukrainischen Hinterland. Dabei versucht Moskau, nicht nur militärische Ziele zu treffen, sondern auch das Energiesystem der Ukraine auszuschalten. Auch rein zivile Ziele werden immer wieder getroffen.

Die ukrainische Führung wirbt für eine breite Unterstützung des nahenden Friedensgipfels in der Schweiz. Der für den 15. und 16. Juni in der Nähe von Luzern geplante Gipfel «kann und soll den Wert internationaler Zusammenarbeit demonstrieren», sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.

Bei der Konferenz sollen früheren Angaben zufolge bis zu 80 Staaten vertreten sein und Friedensperspektiven für die Ukraine diskutieren. «Während Moskau den Begriff «Multipolarität» nur heuchlerisch verwendet, um seine Versuche, das Leben anderer Nationen zu kontrollieren, zu verstecken, schaffen wir ein Instrument echter Multipolarität», sagte Selenskyj.

Wolodymyr Selenskyj. (Bild: -/Ukraine Presidency/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa)
Wolodymyr Selenskyj. (Bild: -/Ukraine Presidency/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa)

Russlands Präsident Wladimir Putin, der gestern in Moskau den Eid für seine fünfte Amtszeit abgelegt hatte, wirbt immer wieder für die Errichtung einer sogenannten multipolaren Weltordnung anstelle einer angeblichen US-amerikanischen Vorherrschaft. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass Putin offensichtlich keine echte Multipolarität anstrebt, sondern die Unterdrückung von Nachbarstaaten.

Nach der russischen Ankündigung von Manövern der Atomstreitkräfte testet auch der verbündete Nachbar Belarus die Einsatzfähigkeit seiner nuklear bewaffneten Truppen. Staatschef Alexander Lukaschenko habe ein unangekündigtes Manöver mit Soldaten und Trägerwaffen befohlen, sagte der belarussische Verteidigungsminister Viktor Chrenin in Minsk. Belarus ist zwar nicht selbst Atommacht, auf seinem Territorium sind aber seit Ende vergangenen Jahres taktische Atomwaffen aus Russland stationiert.

Das Pentagon hat derweil neue Details zu dem in Russland festgenommenen US-Soldaten veröffentlicht. Eine Sprecherin der U.S. Army teilte mit, der Soldat habe seinen Dienst in Südkorea am 10. April beendet. Anstatt aber in die Vereinigten Staaten zurückzukehren, sei er «aus persönlichen Gründen» über China in die russische Hafenstadt Wladiwostok am Pazifik gereist. Er habe für seine Reise keine offizielle Genehmigung durch das US-Verteidigungsministerium beantragt.

Am Freitag habe das russische Innenministerium die US-Botschaft in Moskau darüber informiert, dass der US-Soldat am Tag zuvor «wegen Diebstahls von persönlichem Eigentum» festgenommen worden sei. Er befinde sich nun in Untersuchungshaft. Die Inhaftierung von US-Bürgern in Russland zieht in den meisten Fällen komplizierte Verhandlungen zwischen Moskau und Washington über eine Freilassung oder einen Austausch von Gefangenen nach sich.

Kremlchef Putin hält heute in Moskau einen Jubiläumsgipfel der Eurasischen Wirtschaftsunion ab. Zu der vor zehn Jahren gegründeten Union unter russischer Führung gehören auch die Ex-Sowjetrepubliken Kasachstan, Kirgistan, Belarus und Armenien.