Dieser Satz wird heute für den gestärkten Friedrich Merz gefährlich

CDU-Parteitag will Programm beschließen – Passage über Islam sorgt für Unruhe

Friedrich Merz am Montag beim CDU-Parteitag in Berlin (Bild: REUTERS/Liesa Johannssen)
Friedrich Merz am Montag beim CDU-Parteitag in Berlin (Bild: REUTERS/Liesa Johannssen)

Sie können es vielleicht nicht anders. Oder die Christdemokraten wollen nicht: Im neuen Programm äußert sich die CDU zu Muslimen in Deutschland und findet einfach nicht den richtigen Ton. Warum? Weil sie offenbar auch ausschließen will, zumindest ein bisschen. Dieses Zugeständnis an den Zeitgeist wird sich für die CDU noch rächen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Es ist so eine Sache mit den Bedingungen: Die einen müssen sie erfüllen, die anderen nicht. Das Messen mit zweierlei Maß hat in Deutschland eine gewisse Tradition. Da wird jenen Deutschen, die keine Einwanderungsgeschichte von vier bis fünf Generationen in Deutschland haben, mehr abverlangt, bis sie sich Deutsche nennen dürfen – obwohl sie längst Deutsche sind.

All dies sind Reflexe einer Gesellschaft, die schon vor Jahrzehnten begonnen hat, sich zu ändern. Als die ersten sogenannten „Gastarbeiter“ nach Westdeutschland kamen, wollte man ihre Arbeitsleistung für wenig Geld. Als sie blieben, wollte man von ihnen so wenig wie möglich mitkriegen. Und als sie Deutsche wurden, bastelte man an gewissen Vorbehalten.

Das ist alles in den Jahren weniger geworden, man lernt ja hinzu. Aber die CDU macht heute einen Schritt zurück. Sie tut unter dem Vorsitzenden Friedrich Merz, was es unter Angela Merkel nicht gegeben hätte.

Ein Grundsatzprogramm will sich die Partei geben. Daran wurde gewissenhaft und transparent gearbeitet, die Basis beteiligt. Aber mit einem einzigen Satz gelingt es den Christdemokraten, herum zu stänkern.

Man wollte sich zum Islam äußern, und damit zu Muslimen, also Menschen, Bürgern. Ursprünglich hieß es in der ersten Fassung: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.“ Das war ein Vorbehalt, so groß wie ein friesischer Elefant. Denn was machen Muslime, die etwa deutsche Staatsbürger sind, wenn sie nicht die Werte der CDU teilen – gehören die dann nicht zu Deutschland? In diesem Satz schlummert ein böser, innerer Widerspruch. Wie kann ein Deutscher nicht zu Deutschland gehören? Und was ist mit, zum Beispiel, den Bundesvorstandsmitgliedern der Neonazi-Partei NPD, die sich nun „Heimat“ oder so nennt, und die bestimmt nicht die Werte der CDU teilen, gehören die auch nicht zu Deutschland? Will man die abschieben? Sowas habe ich über NPD-Kader noch nie gehört.

Der Aufschrei war also entsprechend groß, und bei den Christdemokraten brütete man noch einmal über dem Entwurf fürs Programm. Nach längerem Hirnen änderte man den Satz in: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“

Die CDU denkt also tatsächlich, dass ein Wechsel von „Muslime“ (=Menschen) hin zu Islam (=Religion) die Unzufriedenheit umschifft. Der Gedankenfehler aber besteht darin, dass eine Religion immer von Menschen gemacht und gelebt wird und sie deshalb wieder direkt angesprochen werden. Und damit ausgeschlossen werden.

Nun ist es verdammt wichtig, zu kritisieren, wenn jemand hier in Deutschland ein Problem mit der freiheitlichen Gesellschaft hat. Alles Totalitäre ist eine Gefahr für unsere Werte, und gewisse Ausformungen des Islams gehören dazu; Religionen haben immer mit einem totalitären Touch zu kämpfen. Und der politische Islam, oder Islamismus, oder radikalislamische Strömungen haben ein Problem mit der Freiheit – dies ist ein Fakt, der in Deutschland aus allgemeinem Desinteresse unterbewertet wurde. Die Besorgnis wurde Experten überlassen. Dann entdeckte man den Islam als Vehikel für den Transport von Rassismus, und seitdem gibt es „Islam-Kritik“ allerorten, bei der immer genau hingeschaut werden muss, inwiefern es um eine demokratisch-freiheitlich motivierte Auseinandersetzung in der Sache geht oder einfach nur um Dampfablassen gegen andere Menschen.

Zum Glück begegnet man den totalitären Ausformungen des Islams hierzulande mittlerweile kritischer und aufmerksamer, das Ganze hat den Elfenbeinturm längst verlassen. Denn natürlich versuchen Fundamentalisten, ihre Geschwister im Glauben zu beeinflussen. Und wenn es totalitär wird, wird es nie gut. Da ist gegenzusteuern. Die CDU aber bewirkt das Gegenteil. Ihr neuer Satz im Grundsatzprogramm ist Wasser auf die Mühlen der religiösen Totalitären im Islam.

Denn er kommt ohne Ausschließen nicht aus. Immer noch wird definiert, was nicht „dazugehört“. Was also macht die CDU zum Beispiel mit einem Konvertiten, dessen Ahnen seit Karl dem Großen im Rheinland lebten, und der sich nun zum Muster-Obermuslim aufschwingt, nach Scharia ruft und sich dabei ganz toll fühlt? Gehört der mit seiner Ahnenreihe nicht mehr nach Deutschland? Oder soll deswegen das Rheinland abgespalten werden?

Dieser neue Satz der CDU ist ein intellektueller Offenbarungseid, eine gedankliche Beleidigung und mies. Wieder wird das doppelte Maßband hervorgeholt. Es ist, als könne die CDU es nicht lassen.

Das Motiv mag klar sein: Man will gewissen Leuten Grenzen aufzeigen, und zwar im Wissen, dass auch eine Menge Muslime in Deutschland sich durch diesen Satz auf die Füße getreten fühlen, obwohl sie einen liberalen Islam leben, der vielleicht freiheitlicher und verfassungsorientierter ist als manche evangelikale oder altkatholische Prägung. Man will den Muslimen schlicht etwas vor den Latz knallen. Darum geht es.

Damit fischt die CDU im Trüben. Dabei begeht sie einen zweiten Denkfehler: Im Zweifel entscheiden sich Menschen für das Original, und gegen Islam und Muslime schimpft die AfD am besten. Die CDU wäre gut beraten, diesen Satz zu streichen oder zu verstecken. Sie bräuchte bei der nötigen Abgrenzung von der AfD, um unterscheidbar für den Wähler zu sein, auch eine inhaltliche Distanzierung von den Islam-Positionen der AfD – und kein Anbiedern.

Dieser Satz könnte dem gerade auf dem Parteitag gestärkten Friedrich Merz noch gefährlich werden.